Der Arbeitstag ist vorüber. Wir sind erschöpft und waren total fleißig. Dennoch haben wir nicht die Aufgaben erledigt, die wir uns fest vorgenommen haben. Richtig zufrieden gehen wir nicht nach Hause. „Birthe, ich verliere den Überblick bei all meinen Aufgaben in der Praxis. Es bleibt so viel Wichtiges liegen. Das macht mich nicht glücklich. Hast Du eine Lösungsidee?“ Ich sitze am Schreibtisch und wälze Lösungen für diese Herausforderung in meinem Kopf hin und her. Währenddessen fällt mein Blick auf die Eichhörnchen in unserem Garten. Ich beobachte sie jetzt regelmäßig seit unserem Umzug. Die Eichhörnchen haben eine Mission: Nüsse vergraben! Jeden Tag aufs Neue!
Und dann schießt mir eine Idee in den Kopf. Wie schaffen diese kleinen Tiere es eigentlich so konsequent ihre Aufgabe umzusetzen?
Fokus
Fasziniert beobachte ich, dass die kleinen Tiere sich einen ganz klaren Fokus setzen. Dieser lautet zur Zeit: Die Nuss muss vergraben werden. Komme da, was wolle, die Nuss wird vergraben. Von dieser Aufgabe lassen sie sich auch nicht ablenken. Wenn Nachbarskatze durch unseren Garten schleicht, bringen sie sich kurz in Sicherheit, meckern lautstark rum und sobald der Weg wieder frei ist, widmen sie sich erneut ihrer Aufgabe. Die Nuss zu vergraben, ist alles was für sie wichtig ist.
Was bedeutet das für unsere Arbeit in der Praxis? Wenn uns eine Aufgabe wichtig ist, sollten wir sie in den Fokus setzen. Sie steht dann voll in unserem Blickpunkt. Lenken uns andere Impulse oder Aufgaben ab, können auch wir uns kurz unterbrechen lassen und kehren dann wieder zu unserer Aufgabe zurück.
Jetzt höre ich Dich denken: „Wie soll das bei den vielen Ablenkungen und Aufgaben in der Praxis funktionieren?“ Das funktioniert. Ganz sicher. Ich habe es selbst getestet. Es gibt Menschen und Situationen, die uns ablenken möchten. Es ist jedoch auch unsere Entscheidung, ob wir uns ablenken lassen. Wichtige Aufgaben im Praxisalltag musst Du möglicherweise auch spontan erledigen. Die Frage ist, wie schnell Du wieder zu Deiner Fokusaufgabe zurückkehrst. Und das hast Du in Deiner Hand!
Was brauchst Du, damit es funktioniert?
- Klarheit über Deinen Fokus
➡️ Beispiel: Heute rechne ich HKPs ab.
- Eine klare Zieldefinition
➡️ Beispiel: Heute rechne ich alle HKPs ab, die letzte Woche eingegliedert worden sind.
Sinn
Während ich diesen Beitrag für Dich schreibe, regnet es draußen unermüdlich. Wir haben einen Tag mit so richtigem norddeutschen Schietwetter. Wenn ich aus dem Fenster schaue, arbeiten gerade vier Eichhörnchen daran, die Walnüsse von unserem Baum zu angeln. Sie flitzen den Stamm herunter und dann suchen sie nach einem geeigneten Platz und verbuddeln die Nuss. Und dann hüpfen sie mit Leichtigkeit wieder den Baum hinauf. Der Regen hält sie überhaupt nicht von ihrer Aufgabe ab. Warum? Sie kennen den Sinn ihrer Aufgabe. Sie legen sich ihren Wintervorrat an Nahrung an und das ist wirklich wichtig.
Damit wir eine Aufgabe wirklich in unseren Fokus rücken können, ist es wichtig, dass wir den Sinn in unserer Aufgabe sehen.
➡️ Ich bleibe bei unserem HKP-Beispiel: Wenn ich heute die HKPs abrechne, habe ich einen wichtigen Schritt für die anstehende Monatsabrechnung erledigt.
Wenn Du merkst, dass Du den Fokus nicht halten kannst, frage Dich, ob Du den Sinn Deiner Aufgabe erkennst. Du hast eine Aufgabe, die Du unsinnig findest und dennoch erledigen musst? Auch dann kannst Du einen Sinn finden. „Wenn ich die Aufgabe erledigt habe, habe ich Zeit für mir wichtige Aufgaben.“ „ Wenn ich die Aufgabe erledigt habe, fühle ich mich besser.“ „Wenn ich die Aufgabe erledigt habe, kann XY mit der Folgeaufgabe beginnen.“ Du siehst, es gibt auch für scheinbar unsinnige Aufgaben einen Sinn, der ein Ansporn für Dich selbst sein kann.
Priorisieren
Unsere Nachbarn haben auch einen Nussbaum. Allerdings eine Haselnuss. Der Haselnussbaum ist nur für ein Eichhörnchen relevant. Das holt von diesem Baum ab und zu Nüsse und verbuddelt auch diese. Ich erkenne es immer an dem kleinen hellen seitlichen Fleck. Die anderen Eichhörnchen priorisieren eindeutig unseren Walnussbaum.
Nussgröße? Geschmack? Nach welchen Kriterien sie ihre Priorität festlegen, weiß ich nicht. Doch sie haben eine klare Priorität. Ansonsten könnte ich beobachten, wie sie zwischen beiden Bäumen hin- und her wechseln..
HKPs schreiben, abrechnen, Tageskontrollen, Kommunikation mit Patienten, Krankenkassen, Laboren, Terminvereinbarungen, Privatliquidationen, Analogpositionen anlegen, Erkenntnisse der letzten Fortbildung umsetzen, Statistiken überblicken, Monatsabrechnung oder Quartalsabrechnung, … In der Praxis stehst Du häufig vor der Wahl – jede Menge Aufgaben warten auf Dich.
Deine Aufgabe ist es, Entscheidungen zu treffen. Welche Aufgabe ist jetzt wichtig? Welche Aufgabe ist dringend zu erledigen? Erstelle Dir eine kleine Rangliste, leg Deinen Fokus fest und lege los.
Pausen
Die Eichhörnchen arbeiten sehr fleißig. Körperlich ist das ständig den Baum hoch und runter flitzen mit Sicherheit anstrengend und auch ihr Gehirn scheint ordentlich zu arbeiten. Sie vergraben die Nüsse nicht immer an derselben Stelle. Manchmal halten sie kurz inne und machen sich groß. Dabei sehen sie Erdmännchen sehr ähnlich. Weißt Du, welches Bild ich vor Augen habe? Während sie sich möglichst groß machen, lassen sie den Blick durch den Garten schweifen auf der Suche nach einem neuen Versteck, um dann zielstrebig in eine neue Ecke mit ihrer Nuss zu rennen. Die Eichhörnchen arbeiten jedoch nicht den ganzen Tag.
Nach ein paar Stunden legen sie Pausen ein und tanken Energie. Scheinbar kennen sie auch ihre körperlichen und psychischen Grenzen gut. Ich habe jedenfalls noch kein Eichhörnchen beobachtet, dass sich mit letzter Kraft den Baum hoch quält und mit letzter Energie die Nuss verbuddelt.
Ganz im Gegenteil. In meinen Augen sehen sie bei der Arbeit sehr fröhlich und kraftvoll aus. Wenn ich Praxen besuche, strotzen eher wenige Mitarbeiter:innen so vor Energie. Wir können uns, glaube ich, gut ein Beispiel an der Natur nehmen.
Wenn Du das nächste Mal an Deine Grenzen kommst, denke gerne an meine Eichhörnchen und gönne Dir eine Pause.